28/10/2024 0 Kommentare
"Wir warten": Zum Monatsspruch November 2024
"Wir warten": Zum Monatsspruch November 2024
# Monatsspruch
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"Wir warten": Zum Monatsspruch November 2024
Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt. 2. Petr. 3,13
Liebe Gemeinde,
es müssen neugierige Menschen gewesen sein, für die der 2. Petrusbrief verfasst wurde. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Gierig nach etwas Neuem. Man muss eigentlich nichts zu den Umständen wissen, unter denen dieser Vers verfasst wurde. Das Erwartete – ein neuer Himmel, eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt – bedeutet, dass dem Schreiber dieser Zeilen die Gegenwart ungerecht erschien. Und dass er nicht mehr an eine Herstellung von Gerechtigkeit in seiner Zeit glaubte.
Schaue ich mich um, kann ich diese Sehnsucht nachvollziehen. Wie viel einfacher wäre es, Gott käme jetzt und machte alles neu? Dann könnten wir Menschen auch neu miteinander anfangen und aus dem Davor lernen.
Doch der Blick auf unsere Zeit zeigt mir auch, dass es mehr braucht als nur Neuanfang. Jedes Jahr gedenken wir am 09. November der tagelangen Novemberpogromen im Jahr 1938 und des Mauerfalls von 1989. Wir gedenken, weil wir aus den Erfahrungen von Unrecht in der Vergangenheit lernen wollen. Aber haben wir gelernt, wenn antisemitische Straftaten in Rekordzeit um 83 % angestiegen sind, wenn jüdische Einrichtungen und Privatwohnungen mit blutroter Farbe markiert werden? Haben wir gelernt, wenn sich über drei Jahrzehnte später noch zeigt, dass sich unser Land immer noch auf der Suche nach Einheit und Identität seiner Bevölkerung befindet?
Unsere Kultur des Gedenkens muss sich verändern. Anstatt ritualisierter Kundgabe von Betroffenheit gegenüber der Vergangenheit sollten wir Jüdinnen und Juden in Deutschland zuhören, wie es ihnen heute geht. Und als Westberliner Gemeinde sollten wir die Gemeinschaft mit unseren christlichen Geschwistern in den neuen Bundesländern suchen und pflegen. „Wir warten…“, sagt der Monatsspruch. Aber im Warten müssen wir nicht untätig sein. Nur geduldig. Mit uns selbst, den anderen und dem Wandel, in dem wir alle stehen.
Herzlich grüßt Sie
Ihre Pfarrerin Rebekka Luther
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