27/10/2024 0 Kommentare
500 Jahre EG: Monatslied November 2024
500 Jahre EG: Monatslied November 2024
# Musik bei Paulus

500 Jahre EG: Monatslied November 2024
Anlässlich des Jubiläums des Evangelischen Gesangbuchs stellt unsere Kantorin Dr. Cordelia Miller für jeden Monat ein Lied daraus vor. Ihre Wahl für den November:
Wachet auf, ruft uns die Stimme (EG 147)
Beide im EG enthaltene Choräle von Philipp Nicolai (1556-1608) gehören zu den schönsten und berühmtesten Kirchenliedern: Wie schön leuchtet der Morgenstern (EG 70) zu Epiphanias und Wachet auf, ruft uns die Stimme zum Ende des Kirchenjahres. Obwohl unterschiedlichen Zeiten des Kirchenjahres zugeordnet, haben sie vieles gemeinsam: Nicolai, damals Pfarrer im westfälischen Unna, schrieb beide Choräle unter dem Eindruck der Pest im Jahr 1597 und veröffentlichte sie zwei Jahre später im Anhang seines Trostbuches Freudenspiegel des ewigen Lebens. Inhaltlich greifen beide das mystische Bild von Christus als dem Bräutigam und der Gemeinde als Braut auf, die sich nach seiner Wiederkunft und nach der Vereinigung mit ihm in der Ewigkeit sehnt. So bezeichnet Nicolai seine Lieder im Freudenspiegel denn auch als Ein geistlich Brautlied (EG 70) und Ein anders [Brautlied] von der Stimm zu Mitternacht und von den klugen Jungfrauen, die ihrem himmlischen Bräutigam begegnen. Matth. 25 (EG 147). Die Schönheit dieser beiden Kirchenlieder rührt einerseits aus der von Nicolai selbst komponierten kraft- und schwungvollen Melodie, die sich gut singen und musikalisch verarbeiten lässt. Viele Komponisten haben auf ihrer Grundlage kirchenmusikalische Werke geschaffen. Zu nennen ist vor allem Bachs Kantate Wachet auf, ruft uns die Stimme, aber auch Händel, der in seinem berühmten Halleluja-Chor aus dem Messiah die dritte bzw. letzte Melodiezeile dieses Chorals zu den Worten "And He shall reign forever and ever" zitiert.
Genauso bedeutsam für die hohe Qualität der beiden Nicolai-Lieder ist der poetische Reichtum und die geistliche Tiefe des Textes. Aus jeder Verszeile spricht himmlische Hoffnung, die inmitten der Erfahrung größten Leides sehr authentisch wirkt. Obwohl Nicolai selbst von der Pest verschont blieb, erschütterte ihn das Sterben um ihn herum zutiefst. In der Vorrede seines Freudenspiegels schreibt er, dass auf dem Höhepunkt der Seuche allein in Unna täglich bis zu 30 Menschen starben; insgesamt gab es dort etwa 1.400 Opfer.
Und so verband Nicolai mit seinem Buch und den Liedern die Hoffnung, "anderen notleidenden Christen (welchen er [Gott] die Pest auch zu Haus senden würde) aus christlicher schuldiger Liebe zu dienen und gleich als mit gegenwärtigem Trost beizuwohnen."
Dr. habil. Cordelia Miller
Kantorin bei Paulus
Kommentare